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Konsumguerilla

Widerstand gegen Massenkultur?

Erschienen am 06.10.2008, 1. Auflage 2008
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Bibliografische Daten
ISBN/EAN: 9783593387628
Sprache: Deutsch
Umfang: 299 S.
Format (T/L/B): 1.9 x 21.4 x 14 cm
Einband: Paperback

Beschreibung

Das neueste Handy, das angesagte Event oder ein attraktives Profil bei StudiVZ: Persönlichkeit, Individualität und Status werden in unserer Gesellschaft maßgeblich über Konsumentscheidungen hergestellt. Populäre Marken und serielle Massenproduktion führen dazu, dass sich Konsum oft entlang eines vom Angebot vorgegebenen Mainstreams bewegt. Einige Menschen jedoch entfalten enorme Kreativität, um diesen zu unterlaufen: Die Bandbreite reicht von einer übertriebenen Annahme der Angebote, wie etwa in Fankulturen, über subversive Taktiken im künstlerischen Kontext bis hin zur offenen Opposition gegen den Kult des Materiellen. Zur Konsumguerilla gehören damit Menschen unterschiedlichster Couleur. Die Autorinnen und Autoren - unter anderen Franz Liebl und Lev Manovich - zeigen in diesem Buch, wie vielfältig der Widerstand gegen Massenkultur ist.

Autorenportrait

Birgit Richard ist Professorin für Neue Medien an der Universität Frankfurt. Alexander Ruhl, Dr. phil., ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Kunstpädagogik der Universität Frankfurt.

Leseprobe

Der vorliegende Band befasst sich mit unterschiedlichen Ebenen des Konsums sowie damit verbundenen, (sub-)kulturell überformten Konsumpraktiken und -stilen. Er präsentiert Aktivitäten und Strategien, die von erwartbaren und systemkonformen Nutzungsweisen abweichen und mit denen alltägliche oder vorgesehene Konsumgewohnheiten hinterfragt, unterlaufen oder gar verhindert werden. Dies kann nicht nur durch eine klar eingenommene Oppositionsrolle realisiert werden, sondern ebenso durch übertrieben affirmative Annahme der (impliziten) Handlungsaufforderungen an die AdressatInnen eines Angebots. Solche Ambitionen gehen zurück auf eine Entwicklung, die Kaufentscheidungen immer stärker zur maßgeblichen, wenn nicht gar zentralen Identitäts- und Individualitätsdimension werden lassen. In einer Gesellschaft, in der immer mehr Dinge zur marktfähigen Ware werden - ideelle symbolische und kulturelle Werte eingeschlossen - bietet reflektierter Konsum mit der ihm eigenen, flexiblen, vielfältig und breit gestaltbaren Semantik weiten Raum, einen persönlichen Stil und zugehörige Lebensentwürfe mit all ihrer Optionsvielfalt jenseits einer Normalbiografie der Vergangenheit zu konstruieren. Wenn im öffentlichen Diskurs der postmodernen Marktgesellschaft von Menschen die Rede ist, wird demnach überwiegend von VerbraucherInnen, KundInnen oder KonsumentInnen gesprochen. Souveräner Konsum avanciert zur elementaren BürgerInnenpflicht. Der Umgang mit Angeboten des Marktes wird so nicht mehr allein von den AnbieterInnen definiert, sondern zunehmend von den Subjekten bestimmt, die ihrerseits Bedeutung in Konsummöglichkeiten oder Dinge legen und sie entsprechend (um-)gestalten. Mit Gegenständen oder Aktivitäten verknüpfte Versprechen, Mythen und Geschichten (vgl. Ullrich 2006) werden somit nicht einfach planbar übernommen, sondern aktiv mit eigenen Konnotationen belegt und abhängig vom jeweiligen Bezugsfeld und dort vorherrschenden Zielen erzeugt, verhandelt, gefördert oder (ironisch) gewendet. Die materielle und soziale Umwelt ist zu einem gewissen Grad offen für individuelle oder subkulturell geprägte Sinnkonstruktionen, oder aber sie enthält zumindest Ansatzpunkte, die sich taktisch im eigenen Interesse interpretieren lassen (vgl. de Certeau 1988). Zwischen den Polen eines ostentativ gelebten Lifestyle- und Markenkults als Zeichen von Dynamik und Leistungsfähigkeit einerseits und hartnäckiger Konsumverweigerung andererseits eröffnen sich dabei vielfältige Deutungsmöglichkeiten, gerade auch bei Phänomenen, die nicht eindeutig dichotom gedachten Extremen zuzuordnen sind und somit eingehende Analysen verdienen. Diese Betrachtungen unter dem Begriff der Konsumguerilla zu bündeln, betont den Ehrgeiz von Individuen, als hegemonial erlebte Konventionen nicht unreflektiert hinzunehmen, sondern stattdessen ihre eigene Version der kollektiven Zeichen einer Kultur sowie der zugehörigen Bedeutungen zu konstruieren und die modifizierten Symbolgehalte mehr oder weniger offensiv zu kommunizieren. Es geht folglich nicht primär um spektakuläre Aktionen, denn subversives Handeln kann durchaus beiläufig, bescheiden oder gar unbemerkt geschehen, wenn vor allem die im Vollzug von praktizierten Aktivitäten liegenden Reize ausgekostet werden. Der persönliche Mehrwert liegt dann im Handeln, möglicherweise gerahmt von einer bestärkenden, vielleicht auch verschworenen Gemeinschaft, die ihre Interessen mit einer Art sportlichem Antrieb verfolgt. Im Hinauswachsen über präfigurierte Nutzungsweisen werden gemeinsam Grenzen ausgelotet, Erfahrungen geteilt, normale Abläufe irritiert oder auch bewusst Reaktionen provoziert. Nochmals herausgefordert wird solcher Eifer von einer Umwelt, in der Konsumgüter, oder Gegenstände allgemein, eine schier universelle Initialfunktion für soziale Prozesse darstellen. "Materielle Partizipanden des Tuns" (Hirschauer 2004: 73) werden dabei selten sortenrein, so wie sie sind, als hinreichend angesehen. Dinge und mit ihnen gekoppelte Nutzungsskripte unterstützen vielmehr das "Branding" der eigenen Individualität und des unverwechselbaren, souveränen Lebensstils. Sie sind Kommunikationsanlass und geteilter Bezugspunkt für zuzurechnende Verhaltensweisen. Der Charakter von weithin bekannten Marken mit ihren stilbildenden Zeichen ist allerdings nur ein erster signalisierender Aufhänger, mit dem eigensinnig oder - vor dem Hintergrund des Guerilla-Begriffs - taktisch gearbeitet wird. Dabei geht es kaum darum, eine Revolution anzuzetteln. Die Guerilla kann überall agieren, sie wird in kleinen, verstreuten Einheiten aktiv, in unterschiedlichsten Feldern, nicht nur in Sub- und Alltagskulturen, dem Kunst- und Kulturbetrieb. Gemeinsam ist ihnen die Skepsis gegenüber scheinbar allgemeingültigen Leitbildern und alternativlos akzeptierten Größen, die uneingeschränkte Gültigkeit beanspruchen und denen sich alle anderen Faktoren unterzuordnen haben. So ist die Herrschaft des Marktes, für den kommerzielle Verwertbarkeit, also Profit, das höchste Gut darstellt und mit dem zu einem gewissen Grad immer auch das eigene Leben in Einklang gebracht werden muss, häufig ein Bezugspunkt. Eine kritische Haltung demgegenüber ist jedoch keine zuverlässige Absicherung: Dem Guerilla-Image wohnt ein eigener, durchaus auch marktfähiger Charme inne, der daher auch hervorragend als Aufmacher einer Marketingstrategie eingesetzt werden kann. Das Buch gliedert die hier skizzierte Thematik in mehrere Teile, welche unterschiedliche Arten des Konsums und des Konsumierens, sprich die Verschiedenheit von Konsumstilen berücksichtigen. Es bearbeitet Strategien des Hyperkonsums, seine Bilder und Objekte, die Angebote des Marktes und des Marketings. Dabei werden sowohl die üblichen, systemerhaltenden Handlungsabläufe in der Figur des Partizipierens am eingängigen Mainstream aufgezeigt, etwa in Online-Videoclips bei YouTube als Vehikel des viralen Marketing oder in Fankulturen im Zusammenhang mit TV-Serien und Computerspielen, als auch Ambitionen, die das Phänomen Konsum als populäres und auch probates Mittel der Selbstinszenierung im Rahmen einer distinktionsorientierten Gesellschaft konstruieren. So etwa im Konsumuniversum Handy, das von individuellen Klingeltönen über Wallpapers und auswechselbare Gehäuseteile bis hin zu "trendigen" Futteralen und Handyschmuck reicht. Solche Modifikationen berühren bereits das Konzept des Customizing als Angebot individueller Gestaltung und Veredelung von Massenprodukten nach eigenem Geschmack oder die Wandlung von üblicherweise unspektakulären Objekten wie Spielzeugen zu exklusiven Designertoys. Innerhalb des Mainstreammarkts wird ferner Rezeptions- und Transformationsstrategien eines emanzipierten Konsums nachgespürt: Zum einen in der Figur des Prosumer (Producer/Consumer), also des Verbrauchers, der zugleich in unterschiedlichem Maße und potenziell eigenschöpferischer Mitproduzent von Gütern ist, als solcher aber wiederum ins Kalkül von Marketing-Strategien einbezogen wird, gleichzeitig diesen jedoch ablehnend begegnen kann; zum anderen in verschiedenen Formen des Ausdrucks von Alltagskreativität, die sich mit Konsum verbinden können. Die Verschränkung von Konsum- und Eigenbildern rückt hierbei ebenso ins Blickfeld wie die Eigenheiten der Entwicklungen im Web 2.0, also mediale Formationen wie Blogs oder populäre Community-, Foto- und Videoplattformen und deren kreative Umwidmung durch User. Hier zeigen sich Prozesse selbst bestimmter Nutzung ebenso wie das Bestreben, diese kommerzieller Verwertung zugänglich zu machen. Einen weiteren thematischen Teil des Bandes bilden subversiver Konsum und Strategien von Subkulturen. Es werden Konsumstile des Widerstands vorgestellt, wie beispielsweise künstlerische und aktivistische Bewegungen, die ihre Konsumkritik mittels ästhetischer Eingriffe und häufig im öffentlichen Raum praktizieren. Hier treten die "Konsumbilderstürmer" mit ihren Rezeptions- und Transformationsstrategien in Erscheinung wie auch die Kunst der Rebe...

Inhalt

Prosumer, Smart Shopper, Crowdsourcing und Konsumguerilla: Ein Streifzug zur Einführung Birgit Richard, Alexander Ruhl, Harry Wolff Konsum und die Ethnographie des Alltags: Eine fragwürdige Ästhetik der Dinge Hans Peter Hahn Konsum- und Marketingstrategien Konsuminnovationen durch Cultural Hacking: Das Beispiel Ikea-Hacking Franz Liebl Konsumcollagen - Persönliche Aneignung versus kommerzielle Verwertung im Möbeldesign Thilo Schwer Parasitäre Strategien Sabine Fabo Dialog in der professionellen Kommunikation - Social Media im Unternehmensalltag Martina Seefeld, Jörg Hoewner Formen des Konsums Happy Prosumer? Do-it-Yourself or Die 2.0 Verena Kuni So fucked up - Versehrtheit als Motiv popkultureller Inszenierung Nina Metz Shooter for Girls - Zur Offensivität von Gamerinnen-Portalen Jutta Zaremba (De)constructing the gendered Gaze: Geschlechtsspezifische Blickhierarchien in der TV-Serie "Buffy" Marcus Recht Target: BUTT - Queere Positionen zwischen Nischen-Marketing und Subversion Alexander Fleischmann, Josef Jöchl Apokalyptische Jungs - Formen von Männlichkeit auf MySpace Jan Grünwald Konsumguerilla: Ein Gespräch Birgit Richard, Diedrich Diederichsen Konsumguerilla in Bild und Medien Die Kunst des Medienhandelns: Vom Massenkonsum zum Kulturgut der Massen Lev Manovich Die hohe Kunst der Streetart: Inszenierung des Urbanen im virtuellen Raum Alexander Ruhl Art 2.0: Kunst aus der YouTube! Bildguerilla und Medienmeister Birgit Richard Anything but stupid - Subversive Strategien der künstlerischen Aneignung medialer Inhalte und Formate Sabine Himmelsbach Hürdenläufe der Ermächtigung: Free Running und die Inanspruchnahme der Idee von Stadt Peter Mörtenböck Guerilla in Hochkultur: Für eine Typologie des elitären Konsums Jörg van der Horst, Christoph Jacke Konsumguerilla im Museum? Die coolhunters:style Studie Birgit Richard Autorinnen und Autoren

Schlagzeile

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